MFG - Darf's ein bisserl mehr sein?
Darf's ein bisserl mehr sein?


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St. Pöltens gute Seite

Darf's ein bisserl mehr sein?

Text Michael Müllner
Ausgabe 09/2013

„Gläserner Staat statt gläserner Bürger!“ Bei diesem Schlachtruf sind sich meist alle einig, schließlich gäbe es in Politik und Verwaltung ja ohnedies nichts zu verbergen. Bei der anstehenden Gesetzesänderung machen unsere Volksvertreter aber dennoch nur einen kleinen Schritt. Bleibt es bei Sonntagsreden?

Befeuert von Politikverdrossenheit und der gesteigerten Wahrnehmung von Korruption im Großen wie Kleinen der heimischen Innenpolitik, hat sich die Forderung nach mehr Transparenz von der Bundespolitik und ihren abgedrehten Untersuchungsausschüssen auch bis in die Mühen der Gemeinde- und Lokalpolitik vorgearbeitet. Gerade wo eine Partei allein regiert, beklagen Oppositionspolitiker Schikanen in der täglichen Arbeit. MFG berichtete bereits über paradoxe Situationen, so dürfen Einladungen zu Sitzungen an die vom Bürger gewählten Volksvertreter nicht per Email ausgeschickt werden. Auch das Zusenden von Unterlagen, die seriöse Mandatare im Vorfeld einer Abstimmung gerne gesehen und verstanden hätten, sei aus rechtlichen Gründen nicht möglich. Einsicht nehmen kann der Gemeinderat zwar vor Ort, eine Kopie der Unterlage kostet pro Blatt dann aber 50 Cent. In Zeiten von PDF-Anhängen, Twitter-Kommunikation und Live-Streams ist das aktuelle NÖ Stadtrechtsorganisationsgesetz (STROG) ein Relikt längst vergangener Tage.
Nach monatelangen Streitereien schafften St. Pöltens Gemeinderatsfraktionen als Minimalkonsens eine einstimmige Resolution an den NÖ Landtag: Es solle in Zukunft möglich sein, Mandataren nötige Unterlagen im Vorfeld auch per Email zuzuschicken. Es mag zwar dem Bürger per se wurscht sein, wie der gut bezahlte Mandatar an seine Informationen kommt – dennoch zeigt es, wie wenig die Idee von Transparenz in der Gemeindeverwaltung angekommen ist.
Auch der gemeine Gemeindebürger hat es schwer. Möchte er das Protokoll der öffentlichen (!) Sitzung des letzten Gemeinderates nachlesen, so muss er dafür im Rathaus vorstellig werden. Auf der Website wird das Protokoll nicht veröffentlicht, da man es laut Gesetz nur den „Stadtbürgern“ zugänglich machen muss – im Internet hingegen könnte ja jeder daher kommen und nicht nur der „Stadtbürger“.
Neue Bundesgesetze, beispielsweise der Stabilitätspakt oder die neu geschaffenen Landesverwaltungsgerichte, machen nun auch beim geltenden Landesrecht Änderungen nötig. Dabei scheint man auch auf ein paar Forderungen in Sachen „Ruf nach Transparenz“ einzugehen, wenngleich die gemachten Änderungen wohl nur als Mini-Schritt durchgehen werden, der in erster Linie den eigenen Leuten, also den gewählten Mandataren, entgegen kommt.
St. Pöltens lautester Rufer in Sachen Transparenz war bis dato Florian Krumböck, Pressesprecher der St. Pöltner ÖVP und Obmann der Jungschwarzen: „Die angedachten Änderungen sind ein erster Schritt in die richtige Richtung. Es bedarf aber mehr. Für uns sind Punkte wie Transparenz von Amtsberichten zu Punkten der Gemeinderatstagesordnung oder auch elektronische Aktenübermittlung weiterhin wichtige Anliegen.“
Auch St. Pöltens Bürgermeister Matthias Stadler hielt im Rahmen einer Tagung mit den anderen, von der gleichen gesetzlichen Grundlage betroffenen niederösterreichischen Statutarstädten Krems, Waidhofen an der Ybbs und Wiener Neustadt fest, dass wir „Gesetze brauchen, die Transparenz möglich machen“. Es fehlen klare Regelungen beispielsweise in Bezug auf Emails oder die Möglichkeit Gemeinderatssitzungen via Internet live zu übertragen.
Bevor ein Gesetzesentwurf dem NÖ Landtag vorgelegt wird, gibt es eine öffentliche Begutachtung. In diesem offiziellen Rahmen blieben die Stadtvertreter dann aber bescheiden, mutige Vorderungen nach einem Mehr an Transparenz liest man in den Stellungnahmen ans Land nicht. Optimisten vermuten hinter den Kulissen ein zähes Ringen um mehr Transparenz – Pessimisten erkennen in den öffentlichen Transparenzbekundungen aber wohl nur mehr Sonntagsreden.
Im St. Pöltner Rathaus betont man, dass für den Herbst weitere Gespräche zwischen Land und Statutarstädten vorgesehen sind. Die Rathausjuristen weisen auch auf das Spannungsfeld zwischen Transparenz auf der einen Seite und anderen Rechtsmaterien wie dem Recht auf Datenschutz oder dem Recht aufs eigene Bild, etwa bei Sitzungsübertragungen im Internet, hin. Und auch Florian Krumböck will das Thema noch nicht an den Nagel hängen, hinter den Kulissen sei bereits von einer „größeren“ Gesetzesänderung im Frühjahr 2014 die Rede.
Und wenn mit einer neuen Bundesregierung auch auf dieser Ebene wieder Schwung in die Debatte um eine mögliche Abschaffung des „Amtsgeheimnisses“ kommt, dann erleben wir am Ende doch noch irgendwann sowas wie Transparenz bei politischen Entscheidungsprozessen und Verwaltungsakten. WAS KOMMT?
• Tagesordnungen für öffentliche Sitzungen des Gemeinderates dürfen in Zukunft im Internet veröffentlicht werden. (In St. Pölten passiert dies bereits.)
• Protokolle öffentlicher Sitzungen des Gemeinderates dürfen in Zukunft im Internet veröffentlicht werden. (In St. Pölten passiert dies bis dato nicht.)
• Der Budget-Voranschlag sowie der Rechnungsabschluss müssen in Zukunft im Internet veröffentlicht werden. (In St. Pölten passiert dies bereits.)
• Der mittelfristige Finanzplan einer Stadt muss zukünftig nicht für vier, sondern für fünf Jahre erstellt werden.
• Gemeinderäte dürfen in Zukunft zu Sitzungen auch via Email eingeladen werden, was Verwaltungskosten sparen soll.

WAS (NOCH) NICHT KOMMT?
• Live-Übertragungen von Gemeinderatssitzungen via Internet kommen doch (noch) nicht.
• Berichte und Unterlagen, die Grundlage für Entscheidungen im Gemeinderat waren, müssen nicht veröffentlicht werden.
• Jene Unterlagen, die als Grundlage für geplante Abstimmungen im Gemeinderat dienen, müssen nach wie vor nicht den Mandataren per Email übermittelt werden. Die Mandatare müssen vor Ort in die Unterlagen Einsicht nehmen und für Kopien zahlen.
• Ausschusssitzungen, in denen zu konkreten Fachbereichen wie Verkehr, Finanzen, etc. diskutiert wird, bevor Entscheidungen in einer öffentlichen Gemeinderatssitzung fallen, werden weiterhin nicht öffentlich zugänglich sein. So soll ein Austausch von Standpunkten möglich sein, ohne dass die Mandatare dabei auch auf ihre Außenwirkung Rücksicht nehmen müssen.